WELTKULTURERBE TSCHECHIEN



Die Altstadt von Prag

Prag, Silhouette

Prag (Silhouette)

Foto: PublicDomainPictures, Pixabay

Es war nicht nur das Genie Mozart, dessen Musik bei den Pragern begeisterte Aufnahme fand und dessen „Oper aller Opern“, Don Giovanni, hier ihre Uraufführung erlebte, der zu Prag eine besondere Beziehung entwickelte. Es waren verständlicherweise vor allem Literaten, die ihre – durchaus ambivalente – Haltung der „Goldenen Stadt“ gegenüber zum Ausdruck brachten. Der Besucher Thomas Mann zeigte sich „froh, wieder einmal hier zu sein, in dieser Stadt, deren architektonischer Zauber fast einzigartig unter allen Städten der Welt ist“. Und der in Prag geborene Dichter Rainer Maria Rilke verkündete in der ihm eigenen Sprache: „Die giebelige türmige Stadt ist seltsam gebaut: die große Historie kann in ihr nicht verhallen. Der Nachklang tönender Tage schwingt in den welken Mauern. Glänzende Namen liegen, wie heimliches Licht, auf den Stirnen stiller Paläste.“



Auch wenn die Gründung der Prager Altstadt bereits auf das ausgehende 10. Jahrhundert zurückgeht, als am heutigen Altstädter Ring, dem bis heute unumstrittenen Zentrum der Altstadt, ein Marktplatz existierte und ab dem 11. Jahrhundert in nur einem Steinwurf entfernten Teynhof auswärtige Händler Schutz und Unterkunft fanden, von einer richtigen Stadt lässt sich dennoch erst seit dem 13. Jahrhundert reden. Damals wurde mit dem Bau einer Befestigung begonnen und die „Größere Prager Stadt“, wie die Altstadt damals genannt wurde, erhielt das Stadtrecht (1235). Seit dieser Zeit haben sich die unterschiedlichsten Epochen und Stile in die Gassen und Häuser der Altstadt eingemeißelt, ohne die Spuren vorheriger Generationen komplett auszulöschen. Und in der Tat gibt es nur wenige Orte, an denen sich auf so engem Raum steingewordene Geschichte in einer derartigen Vielfalt präsentiert. Ein Bummel durch die Altstadt mit ihren kleinen, verwinkelten Gassen lässt bis heute die Atmosphäre einer mittelalterlichen Stadt aufscheinen, durchsetzt von Zeugnissen des Mit- und Gegeneinanders von Nationen, Kulturen und Religionen verschiedenster Jahrhunderte. Deutlich wird dies an den wenigen verbliebenen Resten jüdischer Kultur wie der Altneusynagoge aus dem 13. Jahrhundert, einem der ältesten gotischen Bauten Prags und vor allem natürlich an einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Prags, dem Alten Jüdischen Friedhof. Dessen dicht an dicht gedrängte, ungefähr 12 000 Grabsteine aus drei Jahrhunderten geben Einblick in die tausendjährige Geschichte der jüdischen Gemeinde Prags, eine Geschichte, die von Mehrung des städtischen Reichtums und Verfolgung und Pogromen gleichermaßen geprägt ist.

Prag, Altstädter Rathaus, Uhr

Uhr am Altstädter Rathaus

Foto: PublicDomainPictures, Pixabay

Vom Wechselspiel der Religionen zeugen auch die zahlreichen Kirchenbauten der Altstadt. Die auf das 12. Jahrhundert zurückgehende Teynkirche firmierte zeitweilig als Hauptkirche der hussitischen Bewegung, die mit ihrer Kritik an der verkrusteten Rolle der katholischen Kirche in Prag auf breite Resonanz stieß. Auch architektonisch zeugt dieses Gotteshaus von Veränderungen, das gotische Bauwerk birgt eine Reihe hervorragender Werke böhmischen Kunsthandwerks verschiedenster Jahrhunderte, barocke Ausgestaltung verraten dagegen die zahlreichen Altäre.

Das große Areal des Clementinums direkt an der belebten Karlsgasse zeugt von einer weiteren geschichtsbestimmenden Kraft der Stadt, den Jesuiten. Sie waren im Zuge der Rekatholisierung Mitte des 16. Jahrhunderts in die Stadt geholt worden um die Gegenreformation in Gang zu setzen. Noch heute bedecken ihre Häuser und Kirchenbauten sowie die von ihnen ins Leben gerufene Universität eine Fläche von zwei Hektar.

Teynkirche, Prag

Teynkirche

Foto: TanjaRak, Pixabay

An eine der glanzvollsten Epochen der Stadt erinnert das Karolinum, Überbleibsel der ersten, 1348 von Kaiser Karl IV. gegründeten Universität Mitteleuropas, gleichzeitig ein Treffpunkt verschiedenster europäischer Nationen.

Doch es würde zu kurz greifen, die Prager Altstadt nur als ein Neben- und Nacheinander wichtiger Sehenswürdigkeiten zu begreifen. In der Prager Altstadt sind Geschichte, Kunst und Alltag auf vielfältige und hintergründige Weise miteinander verknüpft, ein Gemisch, das erlaufen und erlebt werden will, ein Ort, der – wie Paul Leppin es ausdrückte – für „jeden etwas bereithält, aus Süßigkeit und Trauer gemischte Bilder für den Träumer, trügerische, gefahrvolle Erlebnisse für den Horcher an der Wand...für Sonderlinge, die abseits vom Lärm in sich hineinhören wollen“.

Helmuth Weiss

 

 

 


Mehr zu Tschechien:

Weltkulturerbe in Trebic

 Kultur kompakt in Český Krumlov

Prager Cafés

Unterwegs im böhmischen Riesengebirge

Böhmen: Deutsch-tschechische Impressionen

Karlsbad und Marienbad: Zwei böhmische Jungbrunnen

Mit dem Fahrrad zu den tschechischen Bäderorten

Kreuzfahrt im 6/8-Takt. Mit MS Florentina unterwegs auf Moldau und Elbe