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Giant's Causeway

„Es war einmal...“, so fangen alte Märchen und Geschichten immer an. Und so beginnt auch eine der Geschichten um die Entstehung des Giant’s Causeway an der Nordküste der Grünen Insel, dieses Naturphänomens, das nicht von unserer Welt zu sein scheint.

Giant's Causeway, Nordirland

Foto: Maltese-Foods, Pixabay

Es war einmal ein Riese mit dem Namen Finn Mc Cool – der alte gälische Name Clochan na bhFomharaigh setzt zungenbrecherisches Geschick voraus - , der den äußersten Norden Irlands bewohnte. In Liebe entflammt zu einer Riesin auf der schottischen Insel Staffa, machte er sich Gedanken, wie er sie nach Irland holen könnte. So kam er auf die Idee, einen Damm zu bauen, um sie trockenen Fußes in seine Heimat zu bringen.



Diese „Chaussee des Riesen“ ist heute Nordirlands meistbesuchte Sehenswürdigkeit. Hunderttausende zieht es jährlich an die Küste von Antrim, deren Steinformationen seit Jahrhunderten die Phantasie der Menschen beflügelt haben. Und schon bald setzte ein Streit unter den Wissenschaftlern ein, wie dieses Phänomen jenseits der örtlichen Legenden zu erklären sei. Und in der Tat breitet sich vor dem Auge des Betrachters ein sehenswertes Panorama aus, das in Erstaunen versetzt: Fast 40 000 symmetrisch geformte Steinsäulen scheinen aus dem Meer herauszuwachsen und bilden eine abwechslungsreiche, stufenförmige Landschaft. Erstaunlich, wie regelmäßig deren Formen ausgebildet sind, die meisten der Säulen sind sechseckig und erinnern an die Waben eines Bienenstockes. Doch auch drei-, vier-, fünf-, sieben-, acht- und neunseitige Säulen sind zu entdecken. Dicht aneinandergepresst sprießen sie entlang der Küste und auch noch unter Wasser aus dem Boden hervor, bilden Treppen, Stufen und Absätze unterschiedlicher Höhe. Nicht alle Säulen sind aus einem Stück, viele setzen sich aus einzelnen Elementen zusammen, die wie Bauklötze übereinander liegen. Ein moderner Künstler hätte kein ästhetischeres Objekt erstellen können.

Giant's Causeway, Nordirland

Foto: von Man vyi (Eigenes Werk (own photo)) [Public domain], via Wikimedia Commons

Der Legende folgend wurden zahlreiche der umliegenden Felsformationen mit phantasievollen Namen belegt. Da erhebt sich „Giant’s Organ“, die „Orgel des Riesen“, deren bis zu 15 Meter hohe Säulen in der Tat an überdimensionale Orgelpfeifen erinnern. Da gibt es einen „wishing chair“, einen von Steinen geformten Wunschstuhl, auf dem, wie sollte es anders sein, der Wunsch des Sitzenden erfüllt wird. Der angeblich einzige achtseitige Stein des Giant’s Causeway erfüllt lokaler Geschichten zufolge eine besondere Funktion: wird er entfernt, so stürzt die gesamte Chaussee des Riesen in sich zusammen. Zu den schönsten Formationen zählt das sogenannte Amphitheater des Riesen, ein halbzirkelförmiges, wie von einem antiken Baumeister akkurat gefertigtes Amphitheater mit mehreren Sitzreihen.

Um einiges nüchterner hört sich die wissenschaftliche Erklärung dieses Naturschauspiels an. Vor 6o Millionen Jahren herrschte in dieser Region eine lebhafte vulkanische Tätigkeit. Durch Schlote drang etwa 1000 ° Celsius heiße Lava an die Oberfläche und erstarrte zu hartem Basalt. Die dabei vorrangig entstehenden sechseckigen Formen entsprechen einem Naturgesetz bei gleichem Druck von allen Seiten.

Giant's Causeway

Foto: von Chmee2 (Eigenes Werk) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC-BY-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons

Bereits Ende des 17. Jahrhunderts, als die Royal Society erstmals eine Beschreibung dieses Naturphänomens veröffentlicht hatte, zog es Reisende in diesen Teil Irlands. Gemälde und Zeichnungen sowie vielfache Schilderungen von Schriftstellern verbreiteten im 18. und 19. Jahrhundert die Kunde vom Giant’s Causeway im gesamten europäischen Raum. Übertreibungen und seltsame Erklärungsversuche wie der eines Forschers, es handle sich dabei um einen versteinerten Bambuswald oder die Erklärung des englischen Dichters Thackeray, es handle sich bei den Basaltsäulen um ein Überbleibsel des Chaos, aus dem die Welt entstanden ist, verstärkten den Ruf einer unvergleichbaren Küstenlandschaft.

Noch heute erhebt sich oberhalb des Giant’s Causeway ein Hotel, das bereits im 19. Jh. seine Pforten geöffnet hatte und Besuchern offensteht, die auf längeren und äußerst lohnenswerten Wanderungen entlang der Steilküste dieses Schauspiel der Natur auf sich wirken lassen wollen.

Helmuth Weiss