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Das Asklepios-Heiligtum von Epidauros

„ Wenn Du Gottes Haus betrittst, das von wohlriechenden Kräutern erfüllte, mußt Du rein sein, und deine Gesinnung ist rein, wenn Du in Ehrfurcht nahst.“ Diese auf einer Steinplatte eingravierten Begrüßungsworte erwarteten Pilger, wenn sie im Heiligtum von Epidauros eintrafen.

Schon in mykenischer Zeit, im 2. vorchristlichen Jahrtausend, hatte es Genesung Suchende hierher an die Ostküste der Peloponnes gezogen, um Maleatas, eine Heilgottheit, um Unterstützung zu bitten. Mit dem aufkommenden Apollonkult verschmolz dieser Gott später mit Apollon zu einer Person. Im 5. Jahrhundert, als die Peloponnesischen Kriege nicht nur starke Zerstörungen hinterlassen, sondern auch vieles der alten Ordnung beseitigt hatten, verstärkte sich der Wunsch nach einem Heilgott, bei dem man Rettung erwarten konnte. Asklepios, der Legende nach Sohn des Apollon, nahm seit dieser Zeit einen wichtigen Platz in der Götterwelt ein und wurde in der gesamten griechischen Welt in Heiligtümern verehrt und um Hilfe gebeten.



Die Erfolge bei der Heilung von Krankheiten in Epidauros müssen groß gewesen sein, wie erhalten gebliebene Inschriften erzählen. Sie erzählen von Blinden, die wieder sehen konnten und von unfruchtbaren Frauen, die wieder Kinder bekommen konnten. Aus dem gesamten griechischen Einflussbereich kamen Kranke hierher, vor allem im 4. Jahrhundert wurde das Heiligtum deshalb beträchtlich ausgebaut. Ein großes Gästehaus, ein quadratische Anlage mit einer 76 Meter langen Seitenfläche, barg in zwei Stockwerken 160 Zimmer. Die eigentliche Behandlung fand in großen Hallen an der Nordflanke des Kultbezirkes statt, im sogenannten Abaton. In seinem abgedunkelten Untergeschoss unterzogen sich die Kranken einem kultischen Heilschlaf, in dessen Verlauf Gott im Traum Rettung und Hilfe bringen sollte. Das Heiligtum als eine Art psychosomatische Klinik also.

Die wichtigsten Kultbauten der Anlage stehen nur wenige Meter voneinander entfernt: der Tholos und der Tempel des Asklepios. Dieser auf dem 4. Jahrhundert v. Chr. stammende Tempel muss einst kostbar ausgestattet gewesen sein, mit Türen aus Holz und Elfenbein, von Goldnägeln durchsetzt und mit marmornen Skulpturen geschmückt. In seinem Inneren barg er ein Kultbild des Asklepios aus Gold und Elfenbein. Die Figur war sitzend dargestellt, den berühmten Asklepios-Stab in der einen Hand, den Kopf der Asklepios-Schlange mit der anderen Hand berührend.

Welche Funktion der Tholos im kultischen Geschehen einnahm, ist bis heute ungeklärt und Gegenstand verschiedenster Theorien. Doch die Einzigartigkeit dieses Rundbaus mit seinen konzentrischen Mauerringen ist unbestritten. 26 dorische Säulen bilden einen äußern Ring, 14 korinthische Innensäulen umgeben die cella, den Innenraum dieses Kultbaus. Während für den äußeren Ring stuckverzierte Tuffsäulen Verwendung fanden, waren die korinthischen Säulen aus feinstem Marmor gefertigt. Kapitelle, Friese und Decken waren verschwenderisch ornamental geschmückt, in erster Linie fanden Motive aus der Pflanzenwelt Verwendung. Diese Betonung der dekorativen Elemente, die gleichzeitig ein Zurückdrängen der funktionellen Elemente der Architektur beinhalten, stellen einen Wendepunkt in der Baugeschichte dar und sind gleichzeitig ein Meisterwerk der dekorativen Architektur.

In der Mitte des Baus finden sich drei versenkte Mauerringe, deren schmale Gänge eine Art Labyrinth formen. Möglicherweise eine Stätte, an der die Schlangen des Asklepioskultes gehalten wurden oder auch Ort geheimnisvoller Riten oder der Heroenverehrung. Da dieser Bau den Namen Thymele trug, was soviel wie Opferstätte bedeutet, kann man davon ausgehen, dass dieser Bereich auch als Opferstätte diente.

Mit der Kultstätte von Epidauros waren auch alle 4 Jahre stattfindende Spiele zu Ehren des Asklepios verbunden, die sportlichen und musischen Wettkampf beinhalteten. Die zum Heiligtum gehörenden Wettkampfstätten wie Gymnasion und Stadion zeugen davon . Ein großes Theater, in dem bis zu 14 000 Menschen Platz fanden, wurde zu diesem Zweck errichtet. Noch heute kann man auf den oberen Rängen Flüstern im Bühnenbereich wahrnehmen, ein bis heute ungelöstes akustisches Rätsel.

Helmuth Weiss

 

 

 


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